Retrospektive, FAQ und Elektromaterial

Ladestaus. Schöner Reinfall, oder?

Naja, es geht. Bertha Benz ist zu ihrer Reise 1888 aufgebrochen, ohne dass es eine einzige Tankstelle gab, und heute glauben alle, dass die Infrastruktur schon immer verfügbar war. So ganz dem, was ich mir vorgestellt habe, als ich vor 2 Jahren ein Auto bestellt habe, das in 20 Minuten von 0 auf 80% laden kann, entspricht das aber natürlich nicht.

Das störende am Ladestau spielt sich auf einer Ebene ab, die sich gar nicht so unmittelbar erschließt, wenn man die Situation nicht selbst erlebt hat. Das Problem sind nicht ganz so sehr die 5-20 Minuten Ladestau selbst, sondern dass der entspannte Pausencharakter des Ladestopps komplett verpfuscht wird. Man selbst will ja seinen Platz in der Schlange behalten, und die Insassen rennen schonmal vorab aufs WC. Zum anderen erwarten die nach einem selbst wartenden, dass man so früh wie möglich bedarfsgerecht wieder abstöpselt. Asymptotisches Laden mit sinkender Leistung bis auf 100% fällt auf jeden Fall flach, außer man geht sehr abgebrüht an die Sache dran.

Es muss muss noch viel Energie in den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur gesteckt werden. Nicht bestückte Ladesäulenfundamente, wie sie an nahezu jedem Ionity-Standort zu finden sind, sind eher Mahnung als Verheißung.

Warum dann immer wieder Ionity?

Weil wir Vertragskunden sind, die bei Ionity in Deutschland für 31 ct/kWh laden. In Norwegen sind es sogar nur 18 ct/kWh. Da kommt schon bei einmal Laden einiges an Ersparnis zusammen. In der Nähe der Ferienwohnung haben wir an einem Lader des Anbieters Mer geladen.

Wie oft musstet ihr laden?

Laden müssen, laden wollen, sich aus Kostengründen ans Netzwerk eines bestimmten Anbieters zu halten, das sind verschiedene Paar Schuhe, die genau auseinandergehalten werden wollen. Wer das Shell V-Power-Abo hat, wird schließlich auch lieber den viertelvollen Tank an der nächsten Shell auffüllen, als leer zur Aral zu rollen und mehr zu bezahlen.

Auf der Hinfahrt hatte ich noch den Plan, detailliert alle Ladevorgänge aufzuschreiben, aber nach 1800 km bis zur Ferienwohnung war klar, dass sich auch schriftlich nichts anderes herausdokumentieren lassen würde, als der gute alte Alltagsbetrieb mit 22-23 kWh/100km. Hier das Google-Spreadsheet mit den Daten bis dahin.

Wie lief es mit dem AC-Laden?

AC laden war das nicht das wahre, denn die Wallboxen der Hotels erwarteten grundsätzlich die Freischaltung mit einer exotischen lokalen App. Wer weiß, dass ich bereits äußerst ungern das AC-Kabel auspacke, kann erahnen, wieviel Lust ich habe, mich für ein einziges mal Laden auch noch zu registrieren, und dann am Ende womöglich spät nochmal raus zu müssen um die gefürchteten Blockiergebühren abzuwenden.

An der Ferienwohnung hatten die Vermieter angeboten, etwas mit Schuko zu improvisieren, aber die damit erzielbaren 2,3 kW Ladeleistung wären schlicht und einfach nicht genug gewesen um vom Abend bis zum nächsten Morgen bereit für den nächsten Tagesausflug zu sein.

Wir haben somit auf der ganzen Reise ausschließlich DC geladen.

Wie habt ihr das Laden im Ausland bezahlt?

Als Ionity-Vertragskunde natürlich an Ionity mit der E-Tron-Karte von Audi. An der Mer-Säule hinter der Ferienwohnung habe ich mit der App von Mer Norge bezahlt, die in der Zeitkomponente deutlich günstiger war, als das Roaming im Audi-Tarif.

Mit welcher App habt ihr die Ladeplanung gemacht?

Mit überhaupt keiner. Alle potenziell relevanten Ladestandorte habe ich bei der Vorbereitung der Reise als Favoriten im Navigationssystem angelegt, Diese sind wir dann anhand der Reichweitenanzeige angefahren.

Die Probleme mit automatischer Routenplanung sind vielfältig, angefangen bei der programmatisch strikten Einhaltung von Ladeständen, die das Auto bei der Ankunft haben soll (man gibt etwa vor, dass man minimal auf 10% runterfahren will, dann wird der Planer die beste Lademöglichkeit nicht berücksichtigen, wenn sie nur mit 9,5% erreicht werden kann), bis hin zur fehlenden Unterscheidungskraft zwischen zuverlässigen Autobahnladern und hinter verschlossenen Türen stehenden Autohaus- und Supermarktladern.

Wie war das mit dem Typ-2-Kabel an Ionity?

An der Raststätte Buddikate Ost hatte ein Volvo-Hybridfahrer einen Ionity-Ladeplatz belegt und zum Schein sein Typ-2-Ladekabel für die Wallbox ins Steckerprofil des CCS2-Steckers der Säule gesteckt. Nur fehlen da dann eben alle stromführenden Kontakte und die Steckverbindung wird nur vorgetäuscht.

Ich persönlich hätte seinen Verbrennerbums quer zugeparkt und das DC-Kabel stramm an mein Auto gezogen, aber der junge Mann aus Schweden, der mit seinem Kia EV6 von der Aktion unmittelbar betroffen war, wollte sich von mir nicht ganz so radikalisieren lassen. 🤷

Streckenplanung

Da uns der Gedanke zu stressig erschien, die nur 2x am Tag fahrende Fähre ab Hirtshals punktgenau ansteuern zu müssen, sind wir über Fehmarn gefahren mit jeweils 2 Übernachtungen:

  • Zuhause – Puttgarden/Rødby – Übernachtung Malmö – Übernachtung Oslo – Åndalsnes
  • Åndalsnes – Übernachtung Oslo – Übernachtung Kopenhagen – Rødby/Puttgarden – Zuhause

Die Motivation war gewesen, die Fahrzeit pro Etappe in Grenzen zu halten und vielleicht ein wenig von den jeweiligen Zwischenstationen zu sehen. Leider waren die Hotel-Checkins und Checkouts mit der ganzen Familie, jeweils mit großem Gepäck für zwei Wochen unterm Arm, Fotoausrüstung und Laptop, die man nicht im Auto lassen will, so nervig, dass ich, wenn ich erneut die Wahl hätte, mit nur einem Stopp, etwa in Göteborg, planen würde.

Maut und Gedöns

Alle Mautgebühren und Fähren haben wir über das dänische System von Brobizz bezahlt. Bei Brobizz hatten wir die Zulassungsbescheinigung unseres Audi E-Tron eingereicht, so dass für die City-Maut Oslo der reduzierte Tarif für Elektroautos angefallen ist. Die Fährpassagen tauchten immer einen Tag nach dem Abfotografieren des Nummernschilds durch das Fährpersonal auf der Abrechnung auf. Ich glaube, dass der hardwaremäßige Transponder, der eigentliche sogenannte Bizz, komplett optional ist, wenn man das Kennzeichen hinterlegt hat, aber wir alle lieben ja schließlich kleine piepsende Boxen.

Besonders hervorzuheben wäre hier noch der Service der Öresundbrücke, der einen größeren Bedienfehler meinerseits unbürokratisch berichtigt und mir 80 zuviel bezahlte Euro zurückerstattet hat. Fragen kostet nix.

Warum soviel Auto?

Weil ein Familienmitglied gehbehindert ist.

Wie war das Wetter?

Ziemlich kalt, an den besten Tagen kaum über 20 Grad, was etwas surreal war, da wir aus einem 40 Grad heißen deutschen Sommer kamen. Die Shorts kamen kein einziges mal zum Einsatz, und im T-Shirt habe ich stellenweise erbärmlich gefroren, speziell bei unserer spontanen Fahrt mit der Seilbahn, auf der ich keine Jacke dabei hatte. Im Sommer würde ich also auf jeden Fall empfehlen, irgendwas mit langen Ärmeln und eine wind- und wasserdichte Jacke als Backup dabei zu haben.

Bilder von norwegischen Badestränden nehmen eine vollkommen neue Bedeutung an, wenn man einmal bei Sonnenschein und mickrigen 17 Grad am gut besetzten Badestrand vorbeigekommen ist.

Wie habt ihr euch in den skandinavischen Ländern verständigt?

Es ist mir fast ein wenig peinlich, aber ich habe kein einziges Wort in einer der Landessprachen gesprochen. Kein Guten Tag (naja, Hej/Hei geht immer), kein Bitte, kein Danke. In Dombås am Ladekreisel kannst du selbst die ältere Dame vom Grillimbiss auf Englisch ansprechen und bekommst deinen Kram unfallfrei geregelt.

Tag 11: Wieder zuhause

Dänemark lassen wir heute schnell hinter uns, und auch Ladestaus sind hier im Süden von Skandinavien kein Thema mehr. Auf der Fähre über den Fehmarnbelt sitzen wir bei wunderbarem Sonnenschein an Deck und lassen uns den Wind um die Nase wehen.

Am Aufzug der Fähre findet sich noch eine Erinnerung an die Zeit, als in Puttgarden und Rødby ganze Bahnwaggons in den Bauch der Fähre rollten. Diese Ära ist leider vorbei, und mit dem Bau des Fehmarnbelttunnels wird es nicht mehr sehr lange dauern, bis die Zeit der Fähren ganz endet und man die Querung statt in 45 Minuten mit der Fähre in 10 Minuten mit Autobahn- und Eisenbahntempo absolvieren kann.

Vielen Dank fürs Mitreisen!

Weiter geht es mit einem kleinen Epilog: Retrospektive, FAQ und Elektromaterial mit allem, was nicht direkt in den Reisebericht gepasst hat.

Tag 10: In der Zwischenwelt

3 Tage unterwegs, das heißt, auf der mittleren Etappe hat man keinen Kontakt mehr zum Ferienort, und zuhause ist immer noch komplett außer Reichweite. Ich starte noch vorm Frühstück mit einem kurzen Spaziergang hinunter an den Fjord, aber das verhangene Wetter und Unmengen von Entendreck lassen keine vernünftige Fotolaune aufkommen.

Abends machen wir noch einmal Halt an der Öresundbrücke, bevor wir schließlich zum Abschluss der Etappe rüber nach Kopenhagen fahren. Ein modernes und tadellos ausgestattetes Hotel grüßt steril und mit hunderten Zimmern in einem neu erschlossenen Hafengebiet, wo wir über Nacht im Freien parken müssen. Zum Glück erwartet uns am nächsten Tag blendendes Wetter auf einer fast schon Minikreuzfahrt.

Die Reise endet an Tag 11: Wieder zuhause mit Hochseebokeh und einem Relikt aus der Zeit der Eisenbahn.

Tag 9: Ab in den Süden

Pünktlich nach dem Frühstück starten wir in Richtung Oslo. Obwohl wir mit 100% Akku starten, haben wir den ersten Ladestop bereits für Dombås eingeplant, weil wir dann in einem Rutsch bis Oslo durchfahren können. Die Kirche in Dombås ist wegen Bauarbeiten leider in Folie eingewickelt, aber da man sie durch die weiße Verhüllung auf der Anfahrt auf der E136 bereits von weitem sehen kann, lege ich einen kleinen Spaziergang auf ihre Rückseite ein. Von hier kann man tatsächlich in das wirklich gewaltige Tal blicken, durch das die E136 in Richtung Åndalsnes verläuft.

Der Mjøsa, an dem wir kurz zum Fotografieren halt machen, ist der größte See Norwegens, in der Größe vergleichbar mit dem Bodensee und den großen oberitalienischen Seen. An seinem Ufer in Brumunddal steht der Mjøstårnet, das höchste Holzhaus der Welt.

Zeitplan und Energie lassen nur einen ganz kurzen Abstecher in die Innenstadt von Oslo zu, wo wir rund um die Prachtstraße Karl-Johans-Gate sowohl Blicke auf das königliche Schloss und die Universität erhaschen können, als auch auf das Rathaus, in dem jedes Jahr der Friedensnobelpreis überreicht wird. Unser Hotel liegt etwas außerhalb auf der Halbinsel Fornebu, wo sich bis in die 1990er Jahre noch der Flughafen von Oslo befand. Wir haben ein tolles Zimmer mit Blick quer über den Oslofjord.

Weiter geht es an Tag 10: In der Zwischenwelt mit Gedanken über das Abfahren und Ankommen und einer Nacht im Hafengebiet.