Epilog Norwegen 2023

Wie war’s mit dem Elektroauto?

Vollkommen stressfrei, der neue Kia EV6 hat im Gegensatz zum Audi nicht einmal gespenstische Fehlermeldungen angezeigt.

Die erst im vergangenen Juni ausgerollte Ladeplanung hat Kia auf die grundlegendsten Funktionen reduziert, und wer sie auf absolut zuverlässige HPC-Betreiber wie etwa Ionity oder Aral Pulse eingrenzt, die einen niemals auf Baumarktparkplätze oder an Standorte ohne sanitäre Einrichtung locken werden, kann losfahren und vollkommen merkbefreit wie so ein technologieferner Tesla-Jünger den Anweisungen des Navi folgen.

Hattet ihr wieder Ladestaus auf dem Weg?

Ionity in Skanderborg

Nein. Keine. Yep. War echt geil, und mit 240 kW Ladeleistung und mehr als 400 km Reichweite kommt beim besten Willen keine Ladeweile auf. Bei Ionity in Skanderborg musste ich aus dem McDonald’s raus und das fertig geladene Auto umparken, damit wir in Ruhe unser Fastfood zu Ende essen konnten.

Mit welcher Karte habt ihr das Laden bezahlt?

Ladepark Danmarksplass in Bergen

Ionity mit unserer Kia-Karte, die sich in den 12 grundgebührenfreien Probemonaten befindet. Alles andere, wie etwa die Ladesäulen von Eviny, mit der VW-Karte, für die wir bis August noch Grundgebühr zahlen, und die bei Ionity etwas teurer und beim Rest der Welt etwas günstiger ist.

Einen sinnvollen Mittelweg zu finden, auf dem man beim Laden nicht über den Tisch gezogen wird, aber sich auch nicht als übertriebener Ladequartettspieler fühlt, ist in den 3 Jahren, die ich mich mit der Materie beschäftige, von Monat zu Monat schwieriger geworden. In der kurzen Zeit wurden nicht nur regelmäßig Preise erhöht, sondern ausnahmslos jeder Anbieter strukturiert auch mindestens einmal pro Jahr seine Tarife komplett um und baut neue Überraschungen ein.

Wart ihr mit der Fähre zufrieden?

Ganz dickes „naja“. Wenn es mit der Fjord FSTR einmal läuft, ist man tatsächlich in 2 Stunden übers Skagerrak, aber dann gilt immer noch, dass man dabei mit seinem Elektrohintern auf einem 50000-PS-Dieselantrieb gesessen hat, für den mal jemand sorgfältig ausrechnen müsste, wieviel ressourcenschonender er ist, als ein Kurzstreckenflug.

Kaffetasse mit der Aufschrift "Faster fresher Fjord FSTR"
Schornsteine der MS Bergensfjord

Meine ganz persönliche Verschwörungstheorie: Der Betrieb der Katamaranfähre scheint so wenig ökonomisch zu sein, dass die Reederei bei etwas Sturm die generell nur so mittel ausgebuchten Überfahrten relativ freizügig absagt, um sie auf andere Schiffe zu konsolidieren. Die Rückfahrt auf der großen Ersatzfähre mit Gasantrieb verlief trotz des schweren Sturms problemlos unter leicht bewölktem Himmel.

Hat euch Bergen gut gefallen?

Ja! Lediglich Bryggen ist komplett von Leuten überlaufen, die in Pantoffeln von ihren schwimmenden Plattenbausiedlungen am nur wenige Meter entfernten Kreuzfahrtterminal herangeströmt kommen. Wir haben uns deshalb auch gegen eine Fahrt mit der in unmittelbarer Nähe liegenden Fløibanen entschieden. Vom Ulriken aus spuckt man dem Fløyen eh ohne Anlauf auf den Kopf.

Soll ich Fähre fahren oder Landweg?

Da wir zwischenzeitlich fast schon ein wenig als Norwegenexperten gelten: Im Zweifel den Verkehrsträger, der schneller und kürzer ist. Auf der Fähre hat man auch mal eine längere Pause, kleinere Kinder kommen ein paar Stunden aus dem Auto raus, man kann was essen und danach ausgeruht weiterfahren.

Es hat kaum Sinn, sich vom Westen Deutschlands aus nach Südwestnorwegen über Malmö und Oslo durchzuschlagen, wenn es eine Fähre direkt nach Kristiansand (oder über Nacht sogar direkt bis Stavanger und Bergen) gibt, oder vom Osten über das dänische Festland, wenn die Fähre in Rostock direkt vor der Haustür abfährt.

Öffentliche Waage am Hardangerfjord

Was hat sich beim Bezahlen von Maut und Fähren geändert?

Einige winzige Details haben sich gegenüber dem letzten Jahr geändert:

  • Der BroBizz gilt in Norwegen nicht mehr, ist nur noch für die dänischen Brücken geeignet und kann zuhause bleiben, wenn man nicht über die Brücken fährt.
  • Maut wird auf Kennzeichenbasis direkt vom norwegischen Autopass-System in Rechnung gestellt. Hier kann man sein Auto vorab als Elektroauto registrieren.
  • Fjordfähren werden auf Kennzeichenbasis über FerryPay bezahlt, oder direkt am Terminal per Kreditkarte.

Wohin geht’s als nächstes?

Hatvik Marina, beim Ablegen einer Fähre

Die Stellen in Norwegen, die ich noch gern mit dem Auto absolvieren würde, wären das 2022 ausgefallene Trondheim, mit dem Weg über Oslo, mit Stationen wie etwa dem historischen Bergbaudorf Røros. Vielleicht kommt also irgendwann nochmal eine fjordfreie Ostnorwegenroute zustande.

Für den Moment würden wir aber auch mal wieder einen Urlaub machen, bei dem wir auf dem Weg nicht mit großem Reisegepäck für einzelne Übernachtungen in Hotels einchecken, oder – schlimmer – zu Wohnmobilisten werden müssen.

Dass Elektroautos auf der Langstrecke problemlos unterwegs sind, wird ja aktuell nicht mehr nur von Youtubern, sondern auch von völligen Normalos gezeigt, die absolut alles zwischen Gibraltar, Lappland und Istanbul abgrasen. Darüber posten sie dann ein paar lapidare Fotos in der Facebookgruppe ihres Autos, ohne das ganze zum Youtube-Premierenevent aufzublasen oder gar eine Reihe von Blogposts darüber zu schreiben.


Dieser Beitrag stammt aus einer Reihe von Artikeln über unsere Reise nach Norwegen im Frühsommer 2023. Wenn ihr gerne mitgelesen habt, oder Fragen habt, lasst mir gern bei Mastodon oder Instagram einen Like oder Kommentar da.

Teil 6: Heimreise mit Highlights und Verlängerung

Der letzte Abschnitt in Norwegen zurück nach Kristiansand führt nicht entlang der Küste zurück, sondern durchs Landesinnere. Wir werden überrascht mit elektrischen Fjordfähren, dem plötzlich hinter einer Kurve auf der Landstraße Fv551 auftauchenden Furebergfossen, dem Låtefossen, der sich aus 165 Metern Höhe unter der Reichsstraße Rv13 hindurch in den Fluss ergießt, einem Netflix-Gedenkstein im Städtchen Odda, und nicht zuletzt mit der E134, die in mehr als 1000 Metern Höhe über die Hochgebirgslandschaft des Haukelifjell führt.

Wir kommen bei sonnigem aber etwas windigem Wetter in Kristiansand an und freuen uns über die bereits für uns bereitliegende Fjord FSTR am Fährterminal.

Unsere Wecker klingeln um 04:00 Uhr, denn bereits um 05:30 soll Check-In für die Überfahrt nach Hirtshals in Dänemark sein. Leider ereilt uns am Fährterminal eine Hiobsbotschaft, denn alle Fahrten der Katamaranfähre Fjord FSTR sind aufgrund des stürmischen Wetters über dem Skagerrak annulliert.

Wir sind gestrandet in Kristiansand!

Erst um 15:00 stechen wir mit der konventionellen MS Bergensfjord in See und sind um 19:00 mit 10 Stunden Verspätung in Dänemark. Irgendwann nach Mitternacht geben wir uns bei finsterster Nacht und strömendem Regen geschlagen und checken in ein Hotel in Hamburg ein. Am nächsten Tag können wir ausgeschlafen und mit frischem Kaffee im Bauch die Reise nach Hause bei freundlichem Wetter sicher fortsetzen.

Am Ende unserer Reise haben wir 3662,9 km zurückgelegt, vollkommen ohne Probleme mit dem Elektroauto.

Es folgt als letzer Post der Reihe noch ein kleiner Epilog mit von mir ausgedachten FAQs. 😉


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Teil 5: Tief ins Land, und Bummeln in Bergen

Der Tvindefossen liegt unweit der norwegischen Extremsportmetropole Voss direkt an der Europastraße E16. Hier stürzt sich ein kleines Flüsschen mehr als 100 Meter über mehrere Terrassen und Kaskaden in die Tiefe.

Als wir im Frühjahr 2022 zur Vernunft kamen und unsere geplante große Rundreise zusammengekürzt wurde, war der Aussichtspunkt Stegastein am Aurlandfjord dem Rotstift zum Opfer gefallen. Dieses Ziel können wir nun beim zweiten Tagesausflug weit ins Landesinnere nachholen. Der hölzerne Steg ragt 30 Meter weit über die Felswand hinaus und man befindet sich hier 650 Meter über dem Fjord. Auf Aurlandsvangen blickt man von hier oben fast senkrecht hinab. Auf der Landkarte sieht es aus, als sei man einige hundert Meter vom Dorf entfernt, aber nach hier oben sind es 10 km Anfahrt über eine enge Passstraße, auf der immer wieder dem entgegenkommenden Verkehr über Buchten ausgewichen werden muss. Stegastein ist auf dieser Reise der nördlichste Punkt.

Nach einigen Ausflügen in die Innenstadt von Bergen hat sich die Aufregung über Verkehrsführung und Parksituation etwas gelegt und wir haben genug Orientierung, um uns in aller Ruhe am Lille Lungegårdsvannet entlang auf den Weg zur Bergener Flaniermeile, dem Torgallmenningen, zu machen. Es ist ein sonniger Tag, zahlreiche Menschen sind unterwegs, und die Cafés rund um das Sjømannsmonumentet sind gut gefüllt. Wir erkunden die nähere Umgebung und brechen noch zur mittelalterlichen Festung Bergenhus auf der anderen Seite der Bucht auf, die leider aufgrund eines Festivals und einer Open-Air Musicalaufführung zu großen Teilen für die Öffentlichkeit gesperrt ist.


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Teil 4: Bergen und seine Drosselgass‘

Am Mittwoch brechen wir nach dem Frühstück auf zum Troldhaugen, dem Wohnhaus des legendären norwegischen Starkomponisten Edvard Grieg, wo wir gerade noch vor den busweise eintreffenden Kreuzfahrern durchkommen. Später bei einem Rundgang um den Lille Lungegårdsvannet genießen wir herrliches Wetter bevor – mal wieder – der westnorwegische Regen einsetzt. Bei Zimtschnecken, Skolebrød und Kaffee planen wir in unserer trockenen Wohnung den nächsten Tag.

Tags drauf riskieren wir morgens die Fahrt mit der Seilbahn auf Bergens Hausberg, den 643 Meter hohen Ulriken. Zu Anfang wehen uns dort oben noch kleine Wölkchen um die Nase, aber nach einem Kaffee im Café klart das Wetter auf und man kann sehen so weit das Auge reicht.

Wir befinden uns hier oben in der Flugverbotszone des Krankenhauses, das mit seinem Dachlandeplatz direkt neben der Talstation steht, also nur ein schneller Schnappschuss mit der 360-Grad-Kamera.

(Direktlink zum Panorama)

Das Hanseviertel Bryggen mit seiner malerischen Häuserreihe ist das weltberühmte Aushängeschild Bergens. Leider sind einige der Häuser als Baustellen von riesigen Planen verdeckt, worunter die Fotogenität sehr leidet. Zwischen den Häusern erstrecken sich schmale mit Holzdiehlen ausgelegte Gänge weit nach hinten bis zu einer Reihe von Innen- und Hinterhöfen. Das Viertel in fast unmittelbarer Nachbarschaft des Anlegers für Kreuzfahrtschiffe ist touristisch äußerst gut erschlossen.


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Teil 3: Hardangerfjord und Vøringsfossen

Aus dem im Süden liegenden Stavanger sind wir gekommen, den im Norden liegenden Sognefjord wollen wir während des Urlaubs nicht überqueren, also führt uns unser erster Ausflug ins Landesinnere.

Auf dem Weg kommen wir an touristisch unerschlossenen Wasserfällen direkt an der Hauptstraße vorbei, wie dem Mørkhølsfossen und dem Fossen Bratte, am Steindalsfossen mit Besucherzentrum, Souvenirladen und Café, und an malerisch gelegenen Rastplätzen, wie Tyrvefjøra, der mit der fantasievollen Architektur seines 2022 errichteten WC-Häuschens internationale Anerkennung genießt.

(Direktlink zum Panorama)

Nicht lange nach dem Überqueren der 1,3 km langen Hardangerbrücke kommen wir nach Eidfjord. Unterwegs auf der Landstraße von Eidfjord in Richtung Hardangervidda erblicken wir ein rotes Hotel an einer bodenlosen Felswand. Dazu ist bereits eine kleine Wolke aus weißem Wassernebel erkennbar. Willkommen am Vøringsfossen, wo sich das Wasser 183 Meter in die Tiefe stürzt. Leider können wir nicht recherchieren, wie hoch die atemberaubende Steilwand ist, an der das Hotel Fossli steht, aber es sind sicher mindestens 200 Meter.

(Direktlink zum Panorama)


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Teil 2: Unterwegs nach und in Bergen

Der Leuchtturm von Lindesnes markiert den südlichsten Punkt Norwegens und liegt etwas abseits der E39 von Kristiansand nach Stavanger auf einer felsigen Landzunge in der Nordsee. Wer bis zum Leuchtturm hinauf will, muss ca. 100 enorm steile grob betonierte Stufen überwinden.

Der Wegweiser an der Einfahrt zeigt 2518 Straßenkilometer zum Nordkapp an. Luftlinie sind es nur 1700 km. (Bis nach Nizza an der Côte d’Azur sind es von hier übrigens 1600 km Luftline und 2200 Straßenkilometer.)

(Direktlink zum Panorama)

Nach einem wenige Kilometer langen Neubauabschnitt, den unser Navigationssystem noch nicht kennt, führt die schmale E39 von Kristiansand nach Stavanger 200 km lang durch eine Wildnis mit steinigen Hügeln, die einen erahnen lassen, wie die alten Norweger auf die Idee kommen konnten, dass hier Trolle unter der Erde schlafen.

Endlich kommen wir nach Stavanger und auf die Fähre über den Boknafjord, den ersten großen Fjord auf der Reise. Hier entsteht bis 2029 der tiefste und längste Untersee-Straßentunnel der Welt.

Die zweite Fährpassage führt kurz danach über den Selbjørnsfjord, durch eine Meerenge und über den Bjørnafjord bis kurz vor Bergen. Nach dieser kleinen Fjordkreuzfahrt von 40 Minuten legt die Fähre in Halhjem an. Von hier aus sind es nur noch 30 Minuten bis Bergen.

Ein erster Rundgang im Zentrum von Bergen unter einem wolkigen Himmel endet bald mit strömendem Regen für den Rest des Tages. Unser gedruckter Reiseführer meint, die vom Wetter schwer geprüften Bergener hätten sechs Wörter für starken Regen und vier Wörter für Nieselregen. Leider teilen wir diese Begeisterung nicht und statt durchzuzählen, wieviele Worte es im Deutschen dafür gibt, verbringen wir den Nachmittag im Aquarium an der Spitze der Halbinsel Nordnes mit Axolotls und anderen wilden Tieren.


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Teil 1: Vorbereitung und Anreise

Lange Zeit haben wir eine Reise in ein anderes europäisches nicht-EU-Land geplant, aber schließlich werfen wir – mal wieder – kurzfristig unsere Planung über den Haufen und entschließen uns noch einmal für Norwegen. Diesmal werden wir Bergen und seine Umgebung erkunden, und wollen aufgrund der völlig anderen Lage nicht den Landweg über Schweden wählen, sondern von Dänemark mit der Fähre über Kristiansand fahren.

Einige winzige Details haben sich gegenüber dem letzten Jahr geändert:

  • Der BroBizz gilt in Norwegen nicht mehr, ist nur noch für die dänischen Brücken geeignet und kann zuhause bleiben.
  • Maut wird auf Kennzeichenbasis direkt vom norwegischen Autopass-System in Rechnung gestellt. Hier kann man sein Auto vorab als Elektroauto registrieren.
  • Fjordfähren werden auf Kennzeichenbasis über FerryPay bezahlt, oder direkt am Terminal per Kreditkarte.

Wir haben uns einen knappen Zeitplan verpasst, starten mitten in der Nacht um 03:00 und fahren in den Sonnenaufgang. Um 15:30 wollen wir auf der Fähre im 1000 km entfernten Hirtshals sein.

Diese erste Etappe der Reise, die uns am meisten Kopfzerbrechen bereitet hat, meistern wir genau nach Plan: Mit einem komfortablem Zeitpuffer kommen wir am Fährterminal in Hirtshals an und können ohne jeden Stress einchecken. Mit 50000 PS und fast 70 km/h bringt uns die Katamaranfähre „Fjord FSTR“ in 2 Stunden übers Skagerrak. Ein wilder Ritt: Trotz ruhiger See schwappt der Kaffee aufgeregt in der Tasse herum und das Geschirr auf dem Tisch wandert pausenlos umher.

Pünktlich kommen wir am frühen Abend in Kristiansand an. Von hier werden wir am nächsten Tag die zweite Etappe unserer Reise nach Bergen antreten.


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Nordsee im November (wann denn sonst?)

Freitag

Auf der neu eröffneten Runde von unangenehmen Orten, wo ich als Kind mal zur Kur musste, geht es heute nach Büsum.

570 km sind, wenn man mit dem Elektroauto am Nordmeer war, natürlich keine ernstzunehmende Herausforderung. Rechnerisch ginge das mit einem einzigen mal Zwischenladen, etwa bei Fastned Hildesheim. Wir bleiben aber mal wieder unserem Vertragstarif bei Ionity treu und planen die schon gut bekannten Ladestopps Harz Ost und Lüneburger Heide ein. Nach dem ersten Laden von 20% auf 100% laden wir beim zweiten Stop nur 7 Minuten lang 18 kWh bei, um unser Ziel punktgenau erreichen zu können. Nach einer Reise von etwas weniger als 7 Stunden kommen wir in Büsum an.

Auf dem Gelände des mir in eher finsterer Erinnerung gebliebenen Büsumer Kurmittelhauses steht heute ein verflixt großes Hotel, in dem man sich mit Schwimmbadanschluss, 3 Restaurants, 2 Bars, Friseursalon und diversen Läden beinahe ein wenig wie in einer eigenen Welt fühlt. Hier beziehen wir ein tolles Eckzimmer, das, besser als erwartet, nicht nur Blick auf den Hafen, sondern auch auf den Büsumer Leuchtturm bietet. Aus dem Deichgeschoss, zwei Stockwerke über der Rezeption am Hafen, tritt man heraus und steht mit wenigen Schritten im Novemberwind auf der Deichkrone.

Samstag

Über Nacht konnten wir unser Auto in der Hotelgarage kostenlos laden. Nach einem kurzen und extrem windigen Spaziergang am Deich unternehmen wir einen Ausflug zur Seehundstation in Friedrichskoog. Gewaltige Sensationen kann man hier nicht erwarten, und umso entspannter lassen wir uns von der Gleichgültigkeit anstecken, mit der die Seehunde und Robben rücklings durchs Becken gleiten, den Kopf herausstecken und in die Sonne blinzeln.

Zurück in Büsum schlendern wir durch die Innenstadt, die an diesem Novembertag randvoll ist. Wir können uns ausmalen, welcher Betrieb hier an schönen Sommertagen herrschen muss.

Nach Fischbrötchen aus der zum Hotel gehörenden „Hafenkantine“, Waffeln und Kaffee, und einem ausgezeichneten Abendessen im Restaurant „Landgang“ endet der Tag auch schon.

Sonntag

Unglaublich starker Wind und Nieselregen peitschen bei trübem Wetter über den Deich hinweg. Der morgendliche Fotospaziergang fällt zugunsten eines vorgezogenen und ausgiebigen Sonntagsfrühstücks aus.

Mit noch 75% Ladestand im Akku treten wir entspannt die Fahrt nach Süden an. Leider stehen wir sowohl vor dem Elbtunnel als auch noch ein weiteres mal hinter Hamburg ausgiebig im Stau. Während des Mittagessens laden wir bei Ionity Lüneburger Heide auf ca. 95% und später in Lutterberg bei einer Tasse Kaffee noch einmal auf ca. 80%. Nach 7,5 Stunden Fahrt sind wir wieder zuhause.

Retrospektive, FAQ und Elektromaterial

Ladestaus. Schöner Reinfall, oder?

Naja, es geht. Bertha Benz ist zu ihrer Reise 1888 aufgebrochen, ohne dass es eine einzige Tankstelle gab, und heute glauben alle, dass die Infrastruktur schon immer verfügbar war. So ganz dem, was ich mir vorgestellt habe, als ich vor 2 Jahren ein Auto bestellt habe, das in 20 Minuten von 0 auf 80% laden kann, entspricht das aber natürlich nicht.

Das störende am Ladestau spielt sich auf einer Ebene ab, die sich gar nicht so unmittelbar erschließt, wenn man die Situation nicht selbst erlebt hat. Das Problem sind nicht ganz so sehr die 5-20 Minuten Ladestau selbst, sondern dass der entspannte Pausencharakter des Ladestopps komplett verpfuscht wird. Man selbst will ja seinen Platz in der Schlange behalten, und die Insassen rennen schonmal vorab aufs WC. Zum anderen erwarten die nach einem selbst wartenden, dass man so früh wie möglich bedarfsgerecht wieder abstöpselt. Asymptotisches Laden mit sinkender Leistung bis auf 100% fällt auf jeden Fall flach, außer man geht sehr abgebrüht an die Sache dran.

Es muss muss noch viel Energie in den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur gesteckt werden. Nicht bestückte Ladesäulenfundamente, wie sie an nahezu jedem Ionity-Standort zu finden sind, sind eher Mahnung als Verheißung.

Warum dann immer wieder Ionity?

Weil wir Vertragskunden sind, die bei Ionity in Deutschland für 31 ct/kWh laden. In Norwegen sind es sogar nur 18 ct/kWh. Da kommt schon bei einmal Laden einiges an Ersparnis zusammen. In der Nähe der Ferienwohnung haben wir an einem Lader des Anbieters Mer geladen.

Wie oft musstet ihr laden?

Laden müssen, laden wollen, sich aus Kostengründen ans Netzwerk eines bestimmten Anbieters zu halten, das sind verschiedene Paar Schuhe, die genau auseinandergehalten werden wollen. Wer das Shell V-Power-Abo hat, wird schließlich auch lieber den viertelvollen Tank an der nächsten Shell auffüllen, als leer zur Aral zu rollen und mehr zu bezahlen.

Auf der Hinfahrt hatte ich noch den Plan, detailliert alle Ladevorgänge aufzuschreiben, aber nach 1800 km bis zur Ferienwohnung war klar, dass sich auch schriftlich nichts anderes herausdokumentieren lassen würde, als der gute alte Alltagsbetrieb mit 22-23 kWh/100km. Hier das Google-Spreadsheet mit den Daten bis dahin.

Wie lief es mit dem AC-Laden?

AC laden war das nicht das wahre, denn die Wallboxen der Hotels erwarteten grundsätzlich die Freischaltung mit einer exotischen lokalen App. Wer weiß, dass ich bereits äußerst ungern das AC-Kabel auspacke, kann erahnen, wieviel Lust ich habe, mich für ein einziges mal Laden auch noch zu registrieren, und dann am Ende womöglich spät nochmal raus zu müssen um die gefürchteten Blockiergebühren abzuwenden.

An der Ferienwohnung hatten die Vermieter angeboten, etwas mit Schuko zu improvisieren, aber die damit erzielbaren 2,3 kW Ladeleistung wären schlicht und einfach nicht genug gewesen um vom Abend bis zum nächsten Morgen bereit für den nächsten Tagesausflug zu sein.

Wir haben somit auf der ganzen Reise ausschließlich DC geladen.

Wie habt ihr das Laden im Ausland bezahlt?

Als Ionity-Vertragskunde natürlich an Ionity mit der E-Tron-Karte von Audi. An der Mer-Säule hinter der Ferienwohnung habe ich mit der App von Mer Norge bezahlt, die in der Zeitkomponente deutlich günstiger war, als das Roaming im Audi-Tarif.

Mit welcher App habt ihr die Ladeplanung gemacht?

Mit überhaupt keiner. Alle potenziell relevanten Ladestandorte habe ich bei der Vorbereitung der Reise als Favoriten im Navigationssystem angelegt, Diese sind wir dann anhand der Reichweitenanzeige angefahren.

Die Probleme mit automatischer Routenplanung sind vielfältig, angefangen bei der programmatisch strikten Einhaltung von Ladeständen, die das Auto bei der Ankunft haben soll (man gibt etwa vor, dass man minimal auf 10% runterfahren will, dann wird der Planer die beste Lademöglichkeit nicht berücksichtigen, wenn sie nur mit 9,5% erreicht werden kann), bis hin zur fehlenden Unterscheidungskraft zwischen zuverlässigen Autobahnladern und hinter verschlossenen Türen stehenden Autohaus- und Supermarktladern.

Wie war das mit dem Typ-2-Kabel an Ionity?

An der Raststätte Buddikate Ost hatte ein Volvo-Hybridfahrer einen Ionity-Ladeplatz belegt und zum Schein sein Typ-2-Ladekabel für die Wallbox ins Steckerprofil des CCS2-Steckers der Säule gesteckt. Nur fehlen da dann eben alle stromführenden Kontakte und die Steckverbindung wird nur vorgetäuscht.

Ich persönlich hätte seinen Verbrennerbums quer zugeparkt und das DC-Kabel stramm an mein Auto gezogen, aber der junge Mann aus Schweden, der mit seinem Kia EV6 von der Aktion unmittelbar betroffen war, wollte sich von mir nicht ganz so radikalisieren lassen. 🤷

Streckenplanung

Da uns der Gedanke zu stressig erschien, die nur 2x am Tag fahrende Fähre ab Hirtshals punktgenau ansteuern zu müssen, sind wir über Fehmarn gefahren mit jeweils 2 Übernachtungen:

  • Zuhause – Puttgarden/Rødby – Übernachtung Malmö – Übernachtung Oslo – Åndalsnes
  • Åndalsnes – Übernachtung Oslo – Übernachtung Kopenhagen – Rødby/Puttgarden – Zuhause

Die Motivation war gewesen, die Fahrzeit pro Etappe in Grenzen zu halten und vielleicht ein wenig von den jeweiligen Zwischenstationen zu sehen. Leider waren die Hotel-Checkins und Checkouts mit der ganzen Familie, jeweils mit großem Gepäck für zwei Wochen unterm Arm, Fotoausrüstung und Laptop, die man nicht im Auto lassen will, so nervig, dass ich, wenn ich erneut die Wahl hätte, mit nur einem Stopp, etwa in Göteborg, planen würde.

Maut und Gedöns

Alle Mautgebühren und Fähren haben wir über das dänische System von Brobizz bezahlt. Bei Brobizz hatten wir die Zulassungsbescheinigung unseres Audi E-Tron eingereicht, so dass für die City-Maut Oslo der reduzierte Tarif für Elektroautos angefallen ist. Die Fährpassagen tauchten immer einen Tag nach dem Abfotografieren des Nummernschilds durch das Fährpersonal auf der Abrechnung auf. Ich glaube, dass der hardwaremäßige Transponder, der eigentliche sogenannte Bizz, komplett optional ist, wenn man das Kennzeichen hinterlegt hat, aber wir alle lieben ja schließlich kleine piepsende Boxen.

Besonders hervorzuheben wäre hier noch der Service der Öresundbrücke, der einen größeren Bedienfehler meinerseits unbürokratisch berichtigt und mir 80 zuviel bezahlte Euro zurückerstattet hat. Fragen kostet nix.

Warum soviel Auto?

Weil ein Familienmitglied gehbehindert ist.

Wie war das Wetter?

Ziemlich kalt, an den besten Tagen kaum über 20 Grad, was etwas surreal war, da wir aus einem 40 Grad heißen deutschen Sommer kamen. Die Shorts kamen kein einziges mal zum Einsatz, und im T-Shirt habe ich stellenweise erbärmlich gefroren, speziell bei unserer spontanen Fahrt mit der Seilbahn, auf der ich keine Jacke dabei hatte. Im Sommer würde ich also auf jeden Fall empfehlen, irgendwas mit langen Ärmeln und eine wind- und wasserdichte Jacke als Backup dabei zu haben.

Bilder von norwegischen Badestränden nehmen eine vollkommen neue Bedeutung an, wenn man einmal bei Sonnenschein und mickrigen 17 Grad am gut besetzten Badestrand vorbeigekommen ist.

Wie habt ihr euch in den skandinavischen Ländern verständigt?

Es ist mir fast ein wenig peinlich, aber ich habe kein einziges Wort in einer der Landessprachen gesprochen. Kein Guten Tag (naja, Hej/Hei geht immer), kein Bitte, kein Danke. In Dombås am Ladekreisel kannst du selbst die ältere Dame vom Grillimbiss auf Englisch ansprechen und bekommst deinen Kram unfallfrei geregelt.

Tag 11: Wieder zuhause

Dänemark lassen wir heute schnell hinter uns, und auch Ladestaus sind hier im Süden von Skandinavien kein Thema mehr. Auf der Fähre über den Fehmarnbelt sitzen wir bei wunderbarem Sonnenschein an Deck und lassen uns den Wind um die Nase wehen.

Am Aufzug der Fähre findet sich noch eine Erinnerung an die Zeit, als in Puttgarden und Rødby ganze Bahnwaggons in den Bauch der Fähre rollten. Diese Ära ist leider vorbei, und mit dem Bau des Fehmarnbelttunnels wird es nicht mehr sehr lange dauern, bis die Zeit der Fähren ganz endet und man die Querung statt in 45 Minuten mit der Fähre in 10 Minuten mit Autobahn- und Eisenbahntempo absolvieren kann.

Vielen Dank fürs Mitreisen!

Weiter geht es mit einem kleinen Epilog: Retrospektive, FAQ und Elektromaterial mit allem, was nicht direkt in den Reisebericht gepasst hat.